Therapiestrategien zur Behandlung von chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen

Entwicklung eines neuartigen Therapiekonzepts für chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (CED) über nicht-toxische Liganden des Arylhydrocarbon-Rezeptors

© Fraunhofer CIMD

Unter dem Sammelbegriff chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (CED) werden Krankheitsbilder zusammengefasst, die durch schubweise oder kontinuierlich auftretende, entzündliche Veränderungen des Darms gekennzeichnet sind. Die wichtigsten chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen sind Morbus Crohn und Colitis ulcerosa. Rund 300.000 Menschen leiden in Deutschland derzeit an diesen beiden  Erkrankungen, die mit jahrelangen Bauchschmerzen und Durchfällen, aber auch mit starker Abgeschlagenheit verbunden sind. Nach längeren Krankheitsverläufen können zahlreiche extraintestinale Manifestationen (z. B. Gelenkentzündungen) hinzukommen. Meistens treten die Krankheiten im Lebensalter von 20 bis 30 Jahren auf, aber auch Kleinkinder und Jugendliche sind betroffen. Die genaue Ursache dieser Erkrankungen ist immer noch unbekannt. Es wird von einer genetischen Anfälligkeit ausgegangen, die durch Umwelteinflüsse zum Ausbruch der Krankheit führt.

Beide Erkrankungen erfordern meist eine dauerhafte Therapie

Bei beiden Erkrankungen lassen sich die Beschwerden mit Medikamenten und operativen Maßnahmen lindern und Komplikationen zumindest teilweise vermeiden. Der Morbus Crohn ist bisher nicht heilbar; die Colitis ulcerosa könnte durch operative Entfernung des gesamten Dickdarms inklusive des Enddarms geheilt werden. Operative Maßnahmen sind oft mit Komplikationen und verminderter Lebensqualität verbunden.

Das Ziel der Therapie bei beiden Erkrankungen besteht darin, die Entzündung mit entzündungshemmenden Medikamenten zurückzudrängen. Da es sich um chronische Erkrankungen handelt, besteht die medikamentöse Therapie meist dauerhaft. Zudem handelt es sich um systembezogene Therapien. Es gibt nach wie vor keinen therapeutischen Ansatz, der die Fehlregulation des Darmimmunsystems nachhaltig verbessert.

Der Arylhydrocarbon-Rezeptor stell ein vielversprechendes Ziel bei chronisch-entzündlichen Erkrankungen dar

Die Darmflora (Mikrobiom), die maßgeblich durch die Ernährung, aber auch durch den Einsatz von Antibiotika beeinflusst wird, spielt eine wesentliche Rolle bei der Entstehung von chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen. Daher spielen die Ernährung und Alternativen zur Antibiotikatherapie eine zunehmende Rolle bei Überlegungen zur Behandlung dieser Erkrankungen.

Neuere Studien belegen, dass der Arylhydrocarbon-Rezeptor (AhR) ein neuartiges und vielversprechendes therapeutisches Ziel bei chronisch-entzündlichen Erkrankungen darstellt. Zahlreiche Arbeiten haben inzwischen gezeigt, dass der AhR im angeborenen sowie im adaptiven Immunsystem eine wichtige Rolle bei der Aufrechterhaltung der Immunhomöostase und bei der Regulation von Entzündungsreaktionen spielt.

Im Projekt sollen geeignete AhR-Liganden identifiziert werden

Der AhR ist von zentraler Bedeutung für die Kommunikation zwischen Immunzellen und Darmepithelzellen. AhR-Liganden aus der Nahrung oder aus der Darmflora aktivieren den AhR, fördern dadurch das Überleben und die Proliferation von Immunzellen und tragen so wesentlich zur Immunzellhomöostase bei.

Der präklinische Nachweis der therapeutischen Wirksamkeit zweier nicht-toxischer AhR-Liganden wurde im Mausmodell der chronischen Natriumdextransulfat (DSS)-induzierten Kolitis als dem meist akzeptierten Standardtiermodell für CED bereits gezeigt. Auf Basis dieser präklinischen Proof-of-Concept-Studie sollen im Rahmen dieses Projektes geeignete AhR-Liganden identifiziert werden, die bereits für andere Indikationen zugelassen sind oder für die bereits erste Ergebnisse aus klinischen Studien vorliegen (Repurposing). Die Wirksamkeit identifizierter AhR-Liganden wird dann im chronischen DSS-Kolitismodell sowie in einem bakteriell induzierten chronischen Kolitismodell in der Maus getestet.

Generelles Vorgehen

Die Identifizierung von AhR-Liganden wird durch ein Screening der Repurposing-Bibliotheken am Fraunhofer ITMP ScreeningPort durchgeführt. Die neu identifizierten Kandidaten werden dann am Fraunhofer IZI in vivo (im Tiermodell) auf ihre Wirksamkeit getestet. Die Analytik der Krankheitsmodelle umfasst das In-vivo-Monitoring (Endoskopie) sowie Histologie, Immunphänotypisierung, Mikrobiomanalyse, Proteom- und Transkriptomanalyse und wird am Fraunhofer IZI und IIS durchgeführt.

Ziel und Ausblick

Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen gehen mit einer langfristigen Therapie, möglichen Operationen und einem wesentlichen Verlust an Lebensqualität für die Betroffenen einher. Sollte die therapeutische Wirksamkeit von AhR-Liganden für die Behandlung chronisch-entzündlicher Darmerkrankungen sowohl im Tier als auch in weiterführenden klinischen Studien am Menschen bewiesen werden können, hätte man einen neuartigen Ansatz, diese Erkrankungen zu behandeln.

AhR-Liganden, die im In-vivo-Test sowohl ihre Wirksamkeit für die Behandlung der CED zeigen als auch sicher und verträglich sind, müssen anschließend in einer ersten Proof-of-Concept-Studie auch ihre Wirksamkeit und Sicherheit im Menschen unter Beweis stellen.